Das schlechte Wetter im Rücken fahren wir weiter Richtung Süden. Da unser Guffi (= Puch G & knuffig) seit Beginn unserer Reise so brav war, wollen wir ihm wieder einmal ein bisschen Aufmerksamkeit schenken und das Öl wechseln sowie die Filter tauschen. Da wir den Motor ja überholt haben, möchten wir mit dem ersten Ölwechsel nicht bis zum geplanten Intervall warten. Allerdings sind wir überrascht, wie teuer das Motoröl hier in Argentinien ist.

Bei gutem Wetter und Windstille wagen wir es, doch das patagonische Wetter scheint andere Pläne zu haben. Wir können nur noch den Kopf schütteln, bei jeder Bastelei (mit heute drei) werden wir plötzlich von schlechtem Wetter überrascht. Der Ölwechsel geht sich gerade noch so aus und wir sind zufrieden, das nun erledigt zu haben.

Wir planen ein paar Tage im Perito Moreno Nationalpark zu verbringen, bevor wir nach El Chalten aufbrechen. Ein Freund meines Bruders legt uns nahe, einen kleinen Umweg über Los Antiguos und den Abschnitt der RP 41 zum Paso Roballos zu nehmen. Im kleinen Örtchen Los Antiguos angekommen, biegen wir auf somit auf die Schotterstraße ab, die uns hinauf in die Berge führt. Obwohl wir leider etwas Pech mit dem Wetter haben und die Sicht durch den Nebel eingeschränkt ist, ist es hier wunderschön. Die Straße führt uns höher hinauf und nach den saftig grünen Wäldern erblickt man zwischen den Wolken immer wieder sandartige Berge in den unterschiedlichsten Farben. Die Stimmung wirkt fast schon mystisch und wir genießen die absolute Stille. Hier ist niemand unterwegs. Ab und zu sehen wir ein kleines Häuschen, doch auch dort bewegt sich nichts. Als wir dem Paso Roballos immer näher kommen, lichtet sich der Himmel und vereinzelte Sonnenstrahlen brechen durch die Wolken.  Wir blicken zu den schneebedeckten Grenzbergen nach Chile und freuen uns, dass wir diesen tollen Tipp bekommen haben. Diese Route hätten wir ansonsten sicher verpasst.

Die Schotterstraßen setzen unserem Guffi leider aber etwas zu. Schon in Piedra Parada haben wir an beiden Seiten des Scheibenrahmens einen Riss entdeckt, der Klemens Sorgen bereitet. Im Zuge der Umbauten mussten wir den Scheibenrahmen nach oben verlängern, um auf gleicher Höhe an den Kabinenteil hinten anschließen und eine Ebene für das Dach bilden zu können. Um den dünnen Scheibenrahmen an der Oberkante zu verstärken, hat Klemens diesen mit einem Winkel verschweißt. Das Dach und auch die Karosserie sind jedoch sehr steif und lassen wenig Bewegung zu. Der Scheibenrahmen bildet den flexibleren Teil dazwischen und durch die Vibrationen und die seitliche Bewegung des Rahmens (vor allem eher auf Schotterpisten) beginnt dieser nun genau an der Schwachstelle, der Schweißnaht, zu reißen. Wir beschließen vorerst zuzuwarten und die Risse zu beobachten ob sie sich evtl. selbst limitieren. Denn eine Reparatur wäre sehr aufwendig und wir hätten nichts dagegen, wenn wir uns erst zu Hause darum kümmern müssten.

Nach dem ca. 200 km- Schotterstraßen- Umweg zum Paso Roballos wird also routinemäßig unser Riss kontrolliert, bevor es (vorerst auf Asphalt) weiter Richtung Nationalpark geht. Auf unserem Weg sehen wir überall Guanakos und obwohl wir nun schon hunderte von ihnen gesehen habe, finden wir jedes Guanako aufs Neue spannend.

Der Perito Moreno Nationalpark hat im Vergleich zu den weiter südlich gelegenen Berühmtheiten wie dem Perito Moreno Gletscher, El Chalten oder den Torres del Paine relativ wenig Besucher und man hat hier erst später begonnen, ihn touristisch zu erschließen. Das kommt uns natürlich sehr gelegen, denn auf einsamen Plätzchen fühlen wir uns erst richtig wohl.

Die Nationalparkranger sind äußerst nett und hilfsbereit und der Eintritt sowie das Campen im Park gratis. Nach einem Schlechtwettertag genießen wir es, als sich die Sonne gegen Abend noch zeigt und gutes Wetter für unsere Wanderung am nächsten Tag vorhersagt.

Am Morgen spazieren wir, bei strahlend blauem Himmel, durch eine hügelige Landschaft Richtung Refugio San Lorenzo und planen dann weiter zu einem See am Fuße des Cerro San Lorenzo zu gehen.  Als wir das Tal hineinwandern, rätseln wir schon welcher Gipfel ihm denn nun ähnlich schauen würde. Doch weit gefehlt: plötzlich tut sich ein Tal zu unserer Linken auf und wie aus dem Nichts thront der Cerro San Lorenzo vor uns. Mit der eisigen Südostwand, den steilen Schneeflanken und dem zerfurchten Gletscher, wirkt er eher wie eine Miniaturausgabe eines Himalaya-Riesens und stellt alle anderen Berge hier in den Schatten.

Fasziniert von diesem Berg freuen wir uns schon, ihn von Nahem zu betrachten und kommen bald beim Refugio an. Hier haben sich die Betreuer des Nationalparks wirklich alle Mühe gemacht. Neben der alten Hütte, die von außen schon etwas baufällig wirkt, haben sie liebevoll ein gemütliches Häuschen für fünf Personen und große Kuppelzelte mit Liegen für weitere Übernachtungsgäste aufgestellt.

Gleich hinter dem Refugio heißt es Schuhe ausziehen, denn unser Weg führt durch einen kleinen Fluss, den es zu überwinden gilt. Nach der kalten aber erfrischenden Flussüberquerung, gönnen wir uns eine Pause in der Sonne und trocknen unsere Füße.

Frisch gestärkt folgen wir dem Fluss zum Cerro San Lorenzo und kommen ca. 5 km später bei der Laguna de los Tempanos an. Was ich mir in diesem Moment dachte, ist schwer in Worte zu fassen, denn so etwas beeindruckend Schönes habe ich selten gesehen.

Am Fuß des Berges, über dem die Eismassen schon herunterzufallen drohen, schiebt sicher der Gletscher in einen grünen See voller riesengroßer Eisberge, die sich gemeinsam mit dem Berg im Wasser spiegeln. Nah und doch entfernt, hört man das Schmelzen der Eisblöcke als leichtes Plätschern, während das Wasser vollkommen ruhig vor uns liegt. Über uns ziehen ein paar Wolken vorbei, doch unten ist es windstill und wir sind hier vollkommen alleine.

Als wir am Abend, nach einer kurzen Katzenwäsche im kalten Bergbach, zu unserem Auto zurückkehren, wirkt unser Ausflug fast schon unwirklich und wir lachen, denn wir können uns nicht vorstellen, dass das noch zu toppen ist.